Gestern Regen, dann wieder Hitze, dann wieder Regen, dann wieder Hitze. Jacke aus, Jacke an. Heute morgen hatte es gerade mal 8 Grad, nicht viel, wenn man bedenkt, dass ich in Spanien bin. Naja, Nordspanien, ok. Es war also arschkalt, und ich habe mir waehrend der Ueberquerung des unter den Pilgern so beruechtigten Passes "O Cebreiro" (1330 Hoehenmeter) mehrmals ernsthaft ueberlegt, meine gestrigen UNgewaschenen Socken (weder Waschmaschine noch Trockner waren vorhanden und fuer Handwaesche war ich einfach zu faul) als Handschuhe zu verwenden. Diese Idee habe ich aber dann doch wieder verworfen.Der Pass O Cebreiro liegt bereits in Galicien, der regenreichsten, dafuer sonst aermsten Region Spaniens. Kurz nachdem wir den Grenzstein passiert hatten, hatte ich ehrlich das Gefuehl, dass der Regen ploetzlich staerker geworden ist. Meine groeszte Sorge ist seither, dass meine durch die Regionen Navarra, Rioja und Kastillien hart erwanderte Braeune von dem vielen galicischen Regen wieder weggewaschen wird...Das Oertchen Cebreiro, oben am Pass, hat sich zu einer kleinen Touristenattraktion entwickelt, da dort noch recht viele "Palozzas", Haeuser keltischen Ursprungs, zu sehen sind. Aus jedem Souvenirshop toenen irische Dudelsack-Klaenge und wir Pilger, die jeden Tag unzaehlige Kilometer per pedes zurueck legen, sind fuer jene Touristen, die den Pass mit dem Bus erklimmen, auch schon Teil dieser Attraktion...Als ich ihre Frage, ob ich denn eine "echte" Pilgerin sei, mit "JA! (seit Pamplona)" beantwortete, waren sie dann voellig von den (gewaschenen) Socken!
In Villafranca (Region Bierzo) herrlich gute (gefladerte) Kirschen gegessen - Babykatzen fotographiert - in so manchem Weiler zum Verweile(r)n stehen geblieben!Too much Input, so wenig Output. Sorry.
Regen, Regen, Regen! Und nix weiter.
... nua kane Spanier!", wusste schon Steffi Werger in ihrem Hit "Flamenco Touristika". Ich bin ehrlich ein wenig verwundert (abgesehen davon, dass ich drueber verwundert und auch entsetzt bin, WIE gut ich mich offenbar in der heimischen Musikszene auskenne...), dass am gesamten Jakobsweg kaum Spanier unterwegs sind. Nur einen einzigen habe ich bisher getroffen: Alexandro. Und der ist kein Pilger im klassischen Sinn bzw. wie man ihn sich vorstellt.Alle anderen Pilger sind aus anderen Laendern, die da waeren: Brasilien, Chile, Deutschland, Holland, England, Frankreich, Kanada, USA, Rumänien, Kroatien, Daenemark, Oesterreich, Irland, Italien, Schweiz, China etc.Obwohl die Menschen mit unterschiedlichen Vor- und Einstellungen herkommen, verfolgen ALLE das gleiche Ziel: Santiago!Witzig finde ich, dass man sich immer und immer wieder trifft: Direkt am Weg, in den Bars und Restaurants oder dann in den Herbergen. Wenn einer/eine mal nicht mehr da(bei) ist, fragt man: "Wo ist denn die/der geblieben? Weisz jemand was?"Meistens sagt dann jemand mit etwas ironischem Unterton" Die/Der ist irgendwo auf der Strecke geblieben!"Und am naechsten Abend/beim naechsten gemeinsamen Cerveza heiszts das dann wieder ueber irgend jemand anderen...
Heutiges Highlight war defintiv das bekannte CRUZ DE FERRO (Eisenkreuz). Ein aus einem riesigen Steinhaufen ragendes und auf einem Baumstamm befestigtes Eisenkreuz, an dessen unterem Ende die Pilger (ihre mitgebrachten) Steine ablegen und sich somit von ihrer Seelenlast befreien. Ich habe tatsaechlich einen Pilger beobachtet, der sich mit einem ziegelsteingroszen Brocken abmuehte, um ihn auf die Anhoehe zu schaffen und dort niederzulegen...Auch ich habe einen Stein dort abgelegt, allerdings - aus Gruenden des Gewichts - einen erst dort aufgehobenen... Angeblich eine schwer verpoehnte Tat, aber was solls? Ich weisz ja, was ich tagtaeglich fuer Lasten ("Steine") mit mir rumschleppe. Also kann ich mit reinem Gewissen dort ablegen, was ich erst kurz zuvor aufgehoben habe!Wieder eine Lektion, die ich hier versuche zu lernen: Ueber jene Steine, die einem den Weg versperren oder die einem in den Weg gelegt werden, ueber die aergere man sich NICHT, ueber die steige man EINFACH drueber! Punkt!Der Abstieg von den Montes de León war gar nicht so einfach, wie ich mir das gedacht habe. Einmal hat sich uns auf der Strasze ein angriffslustiges Schaf in den Weg gestellt, ein anderes Mal bin ich vor lauter Schreck mit einem 3-Meter-Satz einer ungefaehrlichen Raupe ausgewichen, weil ich nur im Augenwinkel gesehen habe, dass sich vor meinem Schuh etwas schlangenhaft bewegt... Das Schaf aber war tatsaechlich gemeingefaehrlich: Als es uns herannahen gesehen hat, hat es seinen abgekauten Grashalm Cowboy-like ausgespuckt und ist bloekend auf uns zugelaufen... Mit einer abrupten Wende nach rechts hat es sich aber dann von der Strasze wieder auf die Weide begeben... Doch kein Wolf im Schafspelz! Glueck gehabt! Aber Schmaeh ohne: Vor einigen Jahrhunderten wurden nicht wenige Pilger am Weg noch von hungrigen Woelfen angefallen.
"Meine Ruh´ ist hin, mein Herz ist schwer. Ich finde sie nimmer und nimmermehr", sagte schon Goethes Gretchen ... Ja, die Ruhe am Jakobsweg gehoert seit den gefuehrten Touristentouren eindeutig der Vergangenheit an. Es ist ein zermuerbendes Gefuehl, wenn man von locker-fidelen, frisch geschnigelt-und-gebuegelten Pensionisten mit verdaechtig sauberen und trockenen Schuhen und Klamotten (und dass, obwohl es eine Stunde zuvor durchgehend geregnet hat?!?!) ueberholt wird.Wieder ist eine solche Truppe (diesmal aus Bayern) an uns voller Elan und frisch aufgezogen wie Duracell-Hasen an uns voruebergezogen. Die Ruhe und Einsamkeit ist, wie ich bereits nach jener ersten Begegnung befuerchtet hatte, damit dahin! Je naeher wir Santiago kommen, desto mehr aehnelt der Weg einer "Pilgerautobahn", denn wenn man die letzten 200 Km per peder/per Rad oder auch per Pferd (Ja, auch das gibt es!) zurueck legt, bekommt man die heisz begehrte "Compostela", die Pilgerurkunde und somit Glanz einer jeden Wohnzimmerwand, ueberreicht!Ich muss mich kuenftig - im Gegensatz zu vielen anderen - gluecklicherweise NICHT mit dem schlechten Gewissen plagen, ein Begleitfahrzeug an meiner Seite gehabt zu haben, das meinen Reisetrolley transportiert hat... Ich hab jedes Gramm selbst geschleppt, und das ueber die sagenumwobenen Montes de León! Laut meinem Reisefuehrer heiszt es: "Ab Rabanal, mit dem Aufstieg in die Montes des León, wird die Landschaft nach den endlosen Ebenen der Meseta wieder dreidimensional..." Die Autorin scheint Humor zu haben, aber wo sie Recht hat, hat sie Recht! - Die Landschaft ist traumhaft. Meine Etappe fuehrt mich durch ginstergelbe und von violettem Heidekraut gesaeumte Wege durch die beinahe 1500 Hoehenmeter hohen Berge. Doch obwohl die Landschaft derartig bezaubernd-bunt ist, konnte sie ihre ehemaligen Einwohner nicht halten: Die Landflucht hat Einzug gehalten, und so zieht man als Pilger durch verlassene Doerfer bestehend aus verfallenen Haeusern und abgedeckten Daechern. Lediglich EINER (be)haelt im Dorf die Stellung/den Ueberblick: Meister Adebar!Auf jedem Kirchturm befindet sich mindestens ein Storchennest.
Ich bin eine gemuetliche Pilgerin. In jedes Cafe, das am Weg liegt, setze ich mich und geniesze einen genialen (und guenstigen!) Cafe con leche. Den brauche ich um mal munter zu werden. Andere Pilger wiederum bestellen sich fruehmorgens gleich mal ein Cerveca. Nach eigenen Angaben, brauchen sie das, um auf Touren zo kommen.Apropos Tour(en): Heute habe ich mich wirklich wirklich ziemlich geaergert. Naemlich ueber jene Touristenpensionisten, die sich von ihrem Reiseanbieter zu den besten und schoensten Etappen karren lassen, um diese mit voller Kraft und Energie anzugehen. Unsereins hatte bei diesem Etappenstueck schon mehr als 20 km am Buckel. Und dann kommen die Herren und Damen, ausgeruestet mit einem Mini-Rucksackerl, in den grade mal ein Lunchpaket (bestehend aus einer Wurstsemmel und einem Dreh-und-Drink) rein passt, und rennen scharenweise und in einem Mords-Tempo an uns vorbei, als waere nix gewesen. Natuerlich schaut man da mal, wer da so dreist an einem vorbei geht. Aber es war spaetestens dann klar, was Sache ist, als der Reisebus bei der naechsten Gelegenheit um die Ecke bog und alle "Schaefchen" wieder einsammelte.